Stand: 13.08.2023 

 

Nikos – Verstümmelt, Verhungert, Verstoßen

 

Am 24. Dezember 2022 haben wir von einem „Christmas dog“ erfahren und die ersten Fotos gesehen, die jedem die Sprache verschlugen. Ein Gefühlschaos zwischen Verstummung und ohnmächtiger Wut stellten sich ein - an Heiligabend, wenn andere feiern.

 

Der Hund, der zunächst keinen Namen bekam, da man nicht an sein Überleben glauben konnte, wurde ängstlich zitternd hinter dem Zaun der Tierstation zufällig abends entdeckt. Später erhielt er auf Wunsch einer Tierfreundin in Deutschland den Namen „Nikos“. Sein unbändiger Hunger brachte den verhungerten Rüden dazu, sich für das Leben hinter dem Zaun zu interessieren, wo die Hunde die Abendmahlzeiten erhielten. Nikos‘ Körper war übersät mit Wunden, er hatte fast kein Fell mehr durch Krankheit und Unterernährung, konnte sich kaum noch auf den dick geschwollenen Pfoten halten. Der klapprige blutende Rüde zitterte vor Kälte, Schmerz, Angst und Hunger.

 

Wenn es selbst einer Frau, die über 50 Jahre im Tierschutz vermeintlich so alles im Leben von Tieren meinte gesehen zu haben, so die Sprache verschlägt, dass sie über Tage kein Wort mehr spricht, will es etwas heißen. Deshalb hat man uns mit den ersten Fotos über Weihnachten verschont.

 

Nikos durfte in der Station erst einmal im Haus in einer ruhigen Ecke nur ruhen, fressen und die wichtigsten Medikamente nehmen, die sein Leid linderten. Man traute sich nicht, ihn so zum Tierarzt zu bringen, der Nikos eingeschläfert hätte. Doch Nikos wollte leben und man wollte ihm die geringe Chance dafür lassen. Wenn es keine Rettung mehr gab, so sollte er sich noch einmal satt essen dürfen und in Geborgenheit ausruhen. Über Tage stand Nikos nur auf, um draußen seine Geschäfte zu verrichten und um zu fressen. Schmerzen musste er keine leiden. Nach aller Sprachlosigkeit über so einen Zustand eines Tieres stellte sich bald die Frage: Wo kam Nikos her, was war ihm widerfahren?

 

Man fand heraus, dass Nikos einem Schäfer gehörte, dem er ein Jahrzehnt als „guter Hund“ freundlich gedient hatte. Für seine Arbeit wurden ihm nach Einarbeitung von dem Schäfer Ohren und Schwanz abgeschnitten, damit er gefährlicher aussehen sollte. Eine oft übliche Praxis bei den Hüte- und Herdenschutzhunden, die Weidetiere treiben und bewachen sollen. Sie entzieht sich jeder Logik, da man den Tieren wichtige soziale Kommunikationsmittel damit nimmt, abgesehen von der unfassbaren Brutalität, mit der diese Menschen hier vorgehen.

 

Nikos hatte seine Arbeit gut gemacht. Dann aber wurde er im Alter krank durch schlechte Ernährung, Zeckeninfektionen und Leishmaniose, die unbehandelt ein Tier schwächen und krank machen können. Hinzu kommt, dass diese Tiere oft wenig und schlechtes Futter bekommen und keine ordentliche Unterkunft haben. Ausgebeutete Arbeitstiere bis zum Umfallen, wenn man es wörtlich nimmt. Leider keine Einzelfälle.

 

Wir haben bewusst nicht über Nikos berichtet, da auch wir nicht zu glauben wagten, dass so ein großes altes Tier sich noch einmal erholen kann, so wie heute genau dieser Hund glücklich in ein neues Leben zurückgefunden hat. Mit Rücksicht auf das Herz von Tierfreunden und vor allem auf Kinder haben wir Nikos nicht zum Schau- oder zum Bettelobjekt für finanzielle Hilfe gemacht.  Zwei Tierfreunde haben Nikos unterstützt während den Monaten intensiver Behandlungen, die zu diesem unglaublichen Erfolg führten. Seine Blutbilder bewiesen es neben seinem erstaunlichen Erscheinungsbild heute.

 

Sieben Monate später wollen wir nun von Nikos berichten und ihn zeigen, wie er heute aussieht und wie er sich entwickelt hat. Ein langer Weg der Behandlungen, bestes Futter, Vitamine, teure Nahrungsergänzungsmittel und viel Liebe haben ihn dazu gebracht. Er scheint wie neu geboren, womit man emotional auf den „Christmas dog“ zurück kommt. Nikos hat es geschafft.

 

Er ist geschätzte 10 Jahre alt oder älter, hat eine Schulterhöhe von 65 cm und sein Gewicht von 15 kg auf fast 35 kg mehr als verdoppelt. Sein seidiges Fell, eine gesunde Haut, sein gutes Blutbild, seine Augen und sein Wedeln beweisen, dass es richtig war, ihn am Leben zu lassen und eine Chance auf ein neues Leben zu geben.  Zum Schluss hat Nikos gelernt, Menschen (auch Männern) zu vertrauen und nicht nur wegen des Futters auf sie zuzugehen. Eine innige Umarmung der Frau, die ihm das alles ermöglicht hat, spricht Bände, wie auch einige Videos, die es aus der Zeit seiner Genesung gibt.

 

Zu Nikos können wir keine Rasseangaben machen; wir können hier nur zu seinem positiven Wesen, seiner Verträglichkeit mit Artgenossen berichten. Er geht auf Menschen zu, die ihm die Hand reichen, er kennt Autofahrten und das Gehen an der Leine. Den Winter hat er im Haus verbracht, nun lebt er in den Gehegen mit vielen Vierbeinern, die auf ein Zuhause warten. Wie es für ihn weitergehen wird? Er wird auf alle Fälle weiterhin aufmerksam betreut werden und er wird nicht mehr hungern müssen. Eine abschließende große Untersuchung nach den Sommerferien ist geplant und soll zeigen, was eventuell noch zu tun ist, um seinen bisher guten Gesundheitszustand weiter zu festigen.

 

Eine Geschichte, die wie eine Weihnachtsgeschichte klingt am Ende eines sehr leidvollen Weges eines Lebewesens, das unter kaum noch zu überbietender Grausamkeit eines Menschen gelebt und gelitten hat.

 

Für Nikos freuen wir uns über Paten, die sein weiteres Leben begleiten wollen und ihm damit so manche Annehmlichkeit, die bei ihm gern durch den Magen gehen darf, ermöglichen wollen.

 

Susanne H., Petra D., Regina H. und Shannon M.-M., die in den letzten Monaten finanziell mit zur tierärztlichen Versorgung von Nikos beitrugen, danken wir von Herzen.